DGT-ITB Wissenschaftspreis 2023
Verleihung des DGT-ITB Wissenschaftspreises 2023
Zum 29. Mal wurde dieses Jahr der DGT-ITB Wissenschaftspreis verliehen. Die hochrangig besetzte Jury von Professor:innen und Wissenschaftler:innen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz bewerten insgesamt 22 eingereichte Arbeiten und vergaben Preise in vier Kategorien: beste Nachwuchsarbeit (Stufe Bachelorarbeit), beste Nachwuchsarbeit (Stufe Masterarbeit), beste Arbeit zum Thema Nachhaltigkeit im Tourismus und beste Dissertation. Durch das doppelt-blinde Begutachtungsverfahren, an dem mehr als 40 DGT-Mitglieder mitgewirkt haben, konnten vier hervorragende Abschlussarbeiten des Jahrgangs 2021/22 mit touristischer Themenstellung ausgezeichnet werden. Das Preisgeld der Kategorie beste Arbeit zum Thema Nachhaltigkeit im Tourismus wurde von dem deutschen Reiseveranstalter Studiosus Reisen gesponsert.
Die Preisverleihung fand im Rahmen des ITB Berlin Kongresses 2023 am Mittwoch, 8. März 2023, auf dem Berliner Messegelände statt.
Preisträger:innen des DGT-ITB-Wissenschaftspreises 2023
Kategorie: Beste Nachwuchsarbeit (Stufe Bachelorarbeit)
Sabrina Kühn, Hochschule München
betreut von Markus Pillmayer
Last Chance Tourismus: Mögliche Auswirkungen und ausgewählte Lösungsansätze zum Erhalt gefährdeter Destinationen
Last Chance Tourismus (LCT) beschreibt Reisen in bedrohte Destinationen, bevor diese durch die Auswirkungen des Klimawandels oder andere äußere Einflüsse in naher Zukunft irreversibel beschädigt oder zerstört werden. Die Arbeit diskutiert Ursachen und Auswirkungen des Last Chance Tourismus in sozial-ökonomischer und ökologischer Hinsicht sowie das Nachhaltigkeitspotenzial der Reiseart. Ziel ist das Aufzeigen von möglichen Lösungsansätzen auf Destinationsebene für die Minimierung negativer Effekte des LCT, da aufgrund klimatischer Veränderungen zunehmend Reiseziele mit der Problematik konfrontiert werden. Eine umfassende Literaturrecherche erweitert durch die Ergebnisse einer quantitativen Online-Befragung zum Nachfrageverhalten nach LCT zeigt, dass negative Konsequenzen durch eine Übernutzung betroffener Destinationen über positive Effekte wie den Bildungsauftrag von LCT-Reisen überwiegen. Jedoch ist auch eine grundsätzliche Bereitschaft der Tourist*innen zu Verhaltensänderungen für eine nachhaltigere Reisegestaltung erkennbar. Darauf basierend wurden als zentrale Lösungsansätze für den Destinationserhalt die verstärkte Umsetzung umweltschützender Maßnahmen, die Regulierung der Besucherströme sowie eine weitergehende Sensibilisierung der Tourist*innen für die Problematik identifiziert.
Kategorie: Beste Nachwuchsarbeit (Stufe Masterarbeit)
Mirjam Mischi, Universität Innsbruck
betreut von Birgit Pikkemaal
Is it More About Family or Business? Family-Run Hotel Businesses During Covid-19
Der Tourismussektor wurde von den Auswirkungen der COVID-19-Krise stark getroffen. Nach Kenntnis des Autors ist dies die erste Studie, welche die Auswirkungen von COVID-19 auf die familiäre Komponente von Familienhotelunternehmen beleuchtet. Sie untersucht weiter, wie das Virus mögliche Veränderungen im Betrieb auslöst. Diese Arbeit adressiert diese Forschungslücke mit einem qualitativen explorativen Forschungsdesign. Es wurden 15 halbstrukturierte Interviews mit Eigentümern von kleinen Familienhotelunternehmen in Südtirol durchgeführt. Die Ergebnisse zeigen, dass die Auswirkungen von COVID-19 auf das Familiensystem mit den Auswirkungen auf das Geschäftssystem zusammenhängen und zu einer inkrementellen Geschäftsentwicklung führen. Darüber hinaus betont die Arbeit die wichtige Rolle des Erhalts des sozialen Kapitals, der familiären Bindung und der Beziehung zu externen Stakeholdern. Die Studie trägt zur Familienunternehmensliteratur bei, indem sie die Komplexität dieser Organisationen berücksichtigt und Einblicke in das Modell der überlappenden Systeme, die Theorie des sozialen Kapitals und das Konzept des sozial-emotionalen Reichtums (SEW) im neuen COVID-19-Krisenkontext gibt.
Kategorie: Beste Arbeit zum Thema Nachhaltigkeit im Tourismus
Kathrin John, Management Center Innsbruck
betreut von Jannes Bayer
The Attitude-Behavior Gap on the Part of Generation Z in the Context of Sustainable Tourism
Insbesondere im Tourismuskontext ist die Attitude-Behavior-Gap ein beobachtbares Phänomen und zeigt sich selbst seitens der nachhaltigkeitsaffinen Generation Z. Ein klarer Konsens über die Hintergründe dieser Einstellungs-Verhaltens-Diskrepanz wurde bis dato allerdings nicht etabliert. Ziel der Arbeit ist es, Faktoren zu identifizieren, welche einen Einfluss auf die Attitude-Behavior-Gap der Generation Z im nachhaltigen Reisekontext ausüben.
Zur Beantwortung dieser Forschungsfrage wurde durch Gegenüberstellung verhaltenstheoretischer Studien ein konzeptionelles Forschungsmodell entwickelt, das die Basis für die Entwicklung des quantitativen Online-Fragebogens gebildet hat. Obwohl die 277 Befragten eine nachhaltige Reiseeinstellung aufzeigten, verdeutlichten einfache und multiple Regressionsanalysen eine Attitude-Behavior-Gap, auf welche soziale Normen, die wahrgenommene Verhaltenskontrolle und die Verhaltensabsicht Einfluss nehmen. Zudem zeigte sich, dass nachhaltige Verhaltensweisen im alltäglichen Kontext auch ein nachhaltigeres Verhalten auf Reisen bedingen – wenn auch nicht zu gleichem Ausmaß. Die Ergebnisse ermöglichten die Entwicklung konkreter Handlungsempfehlungen für Tourismuspraxis und -forschung. Insbesondere wurde die Notwendigkeit zur Konzeption eines einheitlichen Forschungsmodells deutlich, welches die Komplexität der Verhaltensbildung im Tourismuskontext erfassen kann.
Kategorie: Beste Dissertation
Eva Erdmenger, Universität Trier
betreut von Andreas Kagermeier
The Destination Governance of “Localability”: An Inclusive Governance Approach to Improve the Prosilience of Residents in Urban Tourist Destinations in the Face of Increasing Tourism Intensity
Vor dem Hintergrund der vermehrten Anti-Tourismus-Proteste in urbanen Tourismusdestinationen wird zunehmend deutlicher, dass die Unterstützung der Bewohner:innen für eine nachhaltige Tourismusentwicklung essentiell ist. In dieser kumulativen Dissertation wird analysiert, wie Stadtbewohner:innen in die lokale Destinations-Governance einbezogen werden können, um die Resilienz der Gastgebergesellschaft gegenüber einer zunehmenden Tourismusintensität proaktiv zu stärken.
Die empirischen Daten, u. a. von bildbasierten Fokusgruppen mit Stadtbewohner:innen, in den Fallbeispiele München und Kopenhagen, verdeutlichen, dass der Tourismus mehrere Bedürfnisse der Forschungsteilnehmer:innen beeinflusst. Die subjektiv wahrgenommenen kritischen Einflüsse des Tourismus bilden die Grundlage für eine resiliente und inklusive Destinations-Governance. Anstelle einer willkürlichen und machtlosen Bürgerbeteiligung muss eine facettenreiche, kreative, gezielte und niederschwellige Ermächtigung der (marginalisierten) Stadtbewohner:innen stattfinden. Um dies zu erreichen, muss das Sozialkapital des komplexen städtischen Governance-Netzwerks politisch, psychologisch und sozial gestärkt werden, um resultierend die Motivation (Anreize), Fähigkeit (Ressourcen) und Möglichkeit (Macht) zu fördern. Dieser inklusive und ermächtigende Ansatz führt zu einer Destinations-Governance der „Localability“.